Die faszinierende Welt der Romasprache – Ein linguistischer Schatz
Wenn wir über die Sprachen Europas sprechen, denken die meisten zuerst an die großen Amtssprachen wie Deutsch, Französisch oder Spanisch. Doch es gibt eine ganz besondere Sprache, die oft übersehen wird, obwohl sie eine jahrtausendealte Geschichte hat und ein wahres linguistisches Juwel ist: Romanes, die Sprache der Roma und Sinti.
Als einer der Ersten stieß ich vor vielen Jahren eher zufällig auf dieses sprachliche Kleinod. Seitdem hat mich die faszinierende Herkunft und die unglaubliche Vielfalt des Romanes nicht mehr losgelassen. Lassen Sie mich Ihnen von meinen Erkenntnissen berichten!
Die indischen Wurzeln der Romasprache
Wer hätte das gedacht: Die Ursprünge des Romanes liegen in der indoarischen Sprachfamilie im nordwestlichen Indien und dem heutigen Pakistan. Linguisten und Historiker sind sich mittlerweile ziemlich sicher, dass nomadische Stammesgruppen aus jener Region vor ungefähr 1000 Jahren die Wanderschaft in Richtung Nordwesten antraten.
Auf dieser jahrtausendelangen Reise durch Persien, Armenien, das Byzantinische Reich und schließlich über die Balkanregion bis nach Mittel- und Westeuropa, nahm ihre Sprache immer wieder neue Wörter und Einflüsse der durchquerten Gebiete auf. So entstand über Jahrhunderte ein vielfältiges Sprachgemisch – die zahlreichen Dialekte des Romani.
Die Kernsprache beruht auf dem Sanskrit
Was die Romasprache so besonders macht, ist ihr Kern aus dem alten indoarischen Sanskrit. Diese Verwandtschaft mit Sprachen wie Hindi, Bengali oder Punjabi ist deutlich erkennbar. Betrachten Sie einmal folgende Beispiele:
Romanes | Deutsch |
---|---|
raklo | Junge |
romni | Frau |
khair | Haus |
baro | groß |
tikno | klein |
dad | Vater |
daj | Mutter |
phral | Bruder |
phen | Schwester |
khams | Sonne |
pani | Wasser |
kham | essen |
pijen | trinken |
Viele dieser zentralen Begriffe haben ihre Wurzeln klar im Sanskrit. Das zeigt die enge Verwandtschaft zur indoarischen Sprachfamilie.
Ein einzigartiges Sprach-Potpourri
Auf ihrer Reise durch halb Eurasien nahmen die Romani-Sprecher ständig neue Vokabeln und Einflüsse der jeweils örtlichen Sprachen auf. Aus diesem bunten Sprach-Potpourri entstanden die heute existierenden Dialekte in allen Regionen Europas.
So finden sich im Arli der britischen Roma viele griechische, armenische und rumänische Wörter. Die Sinti in Frankreich hingegen sprechen einen Dialekt mit starken Bezügen zu germanischen und slawischen Sprachen.
Wörter wie „ambrol“ für Regen aus dem Griechischen, „kokalo“ für Knochen aus dem Romanischen oder „gaj“ für „gehen“ deutschen Ursprungs sind nur einige Beispiele. Selbst armenische Begriffe schafften es ins Romani. Für Sprachenforscher ein wahrer Fundus!
Die mündliche Tradition und Schriftsprache
Über viele Jahrhunderte war Romanes eine rein mündlich tradierte Sprache ohne eigene Schrift. Erst ab dem 18. Jahrhundert, als sich Roma-Gruppen in den verschiedenen europäischen Ländern niederließen, entstanden erste Schriftsysteme.
Mit der Sesshaftwerdung und Schulbildung der Roma entwickelten sich dann verschiedene Romani-Schriften, basierend auf kyrillischen, griechischen oder lateinischen Buchstaben. Ein einheitliches Schriftsystem für alle Dialekte gibt es aber bis heute nicht.
Der Kampf um offizielle Anerkennung
Die andauernde Wanderungstradition und Diskriminierung der Roma erschwerten über Generationen die Weitergabe der gemeinsamen Sprache erheblich. Viele Dialekte sind bereits ausgestorben, andere vom Aussterben bedroht.
In den meisten Ländern hat Romanes leider bis heute keine offizielle Anerkennung als Minderheitensprache. Nur einige Vorreiter wie Serbien, Rumänien oder Schweden gewähren dem Romani einen gewissen Sprachschutz.