Das Castellano – Die Muttersprache des Spanischen

Als ich das erste Mal nach Madrid kam, war ich von den sprachlichen Unterschieden überrascht. Als gebürtiger Mexikaner war ich es gewöhnt, das neutrale Spanisch aus Lateinamerika zu hören. Das Castellano, die in Zentralspanien gesprochene Variante, klang für meine Ohren völlig anders und teilweise sogar etwas fremdartig. Schnell wurde mir klar, dass diese Form des Spanischen der Ursprung und die Wurzel aller anderen Dialekte ist.

Das Castellano, früher auch als Kastilisch bezeichnet, ist die Varietät des Spanischen, die sich im 16. Jahrhundert im Königreich Kastilien entwickelte und von dort aus verbreitete. Als die Spanier in der Neuen Welt Kolonien gründeten, brachten sie diese Sprachform mit und legten so den Grundstein für die verschiedenen lateinamerikanischen Dialekte.

Dabei war die Verbreitung zunächst gar nicht beabsichtigt. Die Konquistadoren und Siedler sprachen einfach das Castellano ihrer Heimat, während die Ureinwohner die Laute nachzuahmen versuchten und so allmählich eigene Varianten entwickelten. Auch aufgrund der enormen geografischen Ausdehnung drifteten die Dialekte mit der Zeit immer weiter auseinander.

Im Mutterland selbst blieb das Castellano vergleichsweise geschlossen und stabil. Bis heute ist diese Sprachform im Großraum Madrid, in Zentralspanien und den meisten Landesteilen Umgangssprache. Sie ist die offizielle Norm des Spanischen und Vorbild für den Sprachunterricht an Schulen und Universitäten.

Ihr klarer, deutlicher Klang macht das Castellano für viele sehr angenehm und formell. Der markanteste Unterschied zu anderen Varianten ist sicherlich die „Theta-Aussprache“. Die Buchstaben „c“ und „z“ werden vor „e“ und „i“ wie das englische „th“ ausgesprochen, also ähnlich wie in „thing“. Ein weiteres Merkmal ist der häufige Gebrauch des sogenannten „Voseo“ anstelle von „ustedes“ in der Anrede.

Kein Wunder, dass Muttersprachler aus Lateinamerika diese Sprachform oft als „aristokratisch“ empfinden. Für ungeübte Ohren mag das Castellano tatsächlich etwas distinguiert oder gar hochnäsig klingen. Das liegt aber vor allem an der standardsprachlichen Aussprache und der Sprachmelodie – die Menschen in Kastilien sind in Wirklichkeit sehr herzlich und bodenständig.

Dabei gibt es auch innerhalb Spaniens einige regionale Unterschiede. So hat etwa das im westlichen Andalusien gesprochene Castellano durch den starken s-ch-Laut wie in „uj ojoh vehden“ einen völlig eigenen, zunächst schwierigar verständlichen Klang. Und auf den Kanarischen Inseln nähert sich der Dialekt schon stark den karibischen Spanischarten an.

Das moderne Castellano ist durch die Medien, offizielle Veranstaltungen und repräsentative Anlässe allgegenwärtig. Als eine Art Lingua franca ist es die am weitesten verbreitete Variante des Spanischen und gut verständlich für alle Muttersprachler. Viele Übersetzungen und Publikationen beziehen sich auf diese Standardform.

Dennoch ist die Bedeutung des Castellano in den letzten Jahrzehnten etwas geschrumpft. In Lateinamerika, wo die Mehrheit der Spanischsprecher lebt, haben sich die regionalen Dialekte gefestigt und sind offiziell anerkannt. Das lateinamerikanische Spanisch ist heute gefragter als je zuvor auf der Weltbühne.

Auch von Puristen wird die Standardform längst nicht mehr so vehement verteidigt wie noch vor einigen Jahrzehnten. Vielmehr beginnt man, den Reichtum der sprachlichen Vielfalt innerhalb des Spanischen wertzuschätzen. Das „Königreich des Castellano“ musste seine Krone etwas teilen – aber seine Wurzeln sind nach wie vor tief verankert.

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